Feb 22

Abmahngefahr durch Neufassung des § 32d UrhG – Pflichten für Nutzer von urheberrechtlichen Inhalten!

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Die Neufassung des § 32 d UrhG sorgt derzeit im Web für Irritationen. Wir erläutern Ihnen die Pflichten, die durch diesen Paragraphen für Sie als Nutzer urheberrechtlicher Inhalte entstehen. In der Tat besteht hier nach unserer Prüfung derzeit eine erhöhte Gefährdungslage für Abmahnungen.

I. „Neue“ Rechtslage

Seit dem 07.06.2021 regelt die Neufassung des § 32d UrhG, dass Vertragspartner von Urhebern diesen mindestens einmal jährlich Auskunft über den Umfang der Nutzung der Werke des Urhebers und die hieraus gezogenen Erträge und Vorteile zu erteilen haben. Dies gilt im Wesentlichen für alle Werke mit Bezug zum Urheberrecht, also insbesondere Fotos, Textwerke, Grafiken, Designs, Spiele, Filme und Musik. 

Wieso kommt das Thema also erst zwei Jahre später konkret auf? Die Antwort auf diese Frage liefert 133 Abs. 3 UrhG. Dieser besagt im Wesentlichen, dass die Vorschrift des § 32d UrhG ab dem 07.06.2022 auch auf Verträge anzuwenden ist, die vor dem 07.06.2021geschlossen wurden. Es handelt sich also um eine rückwirkende Anwendung auf alle Altverträge; und zwar bis zum 01.01.2008 (!)zurück. Für Verträge, die zwischen dem 07.06.2021 und 07.06.2022 geschlossen wurde, besteht keine explizite Regelung. Wir schließen uns jedoch der unter Fachleuten verbreiteten Meinung an, dass es sich hier um eine unglückliche gesetzliche Formulierung handelt und auch für solche Verträge die Auskunftspflicht gilt

Gemäß § 32d UrhG ist einmal jährlich Auskunft zu erteilen. Da unklar und umstritten ist, ab wann genau diese Frist nun gilt, empfehlen wir Ihnen ein unverzügliches Tätigwerden. Späteste Frist zum Tätigwerden wäre nach unserer Sicht der 06.06.2023.

II. Hintergrund der gesetzlichen Regelung

Konkret bedeutet der Inhalt von § 32d UrhG nichts anderes, als dass dem Urheber einmal jährlich konkret zusammengestellt werden muss, wo und in welchem Umfang sie dessen Werke (weiterhin) verwenden und welche wirtschaftlichen Vorteile Sie hieraus ziehen. Der Grund hierfür ist folgender: 

Ein Urheber könnte Ihnen im Rahmen einer Lizenzvereinbarung ein Nutzungsrecht für eins seiner Werke (Foto, Video, Text, Musik usw.) eingeräumt haben. Diese Vereinbarung berechtigt Sie zur Nutzung dieses Werks gegen Zahlung entsprechender Lizenzgebühr. Bislang ermöglichte das Gesetz es dem Urheber bereits, Vergütungen für Lizenzen nachzuberechnen, soweit sich die Erträge oder sonstigen Vorteile des Vertragspartners als zu hoch im Vergleich für die an den Urheber gezahlte Vergütung erwies.

Über § 32d UrhG soll nun – eindeutig zu Lasten der Lizenznehmer / Nutzer – sichergestellt werden, dass sich Nutzungsumfang und Lizenzvereinbarung die Waage halten. Durch die Auskunftspflicht soll die Position der Urheber insoweit gestärkt werden, als dass diese selbst prüfen können, ob ihnen nicht ein weiterer gesetzlicher Vergütungsanspruch zusteht. § 32d UrhG soll es Urhebern also erleichtern, an die für eine etwaige Nachberechnung notwendigen Informationen zu gelangen, ohne diese aufwendig selbst einklagen zu müssen. 

III. Betroffene und Umfang der Auskunftspflicht

Der gesetzlichen Auskunftspflicht unterliegen alle Vertragspartner von Urhebern, soweit sie sich entgeltlich haben Nutzungsrechte einräumen lassen. Die Auskunftspflicht bezieht sich – wie oben bereits angedeutet – auf den Umfang der Nutzung des Werks sowie Ihre hieraus gezogenen Erträge und Vorteile. Sie müssen beispielsweise angeben, über welchen Zeitraum ein Foto oder Logo auf Ihrer Webseite online abrufbar war oder noch ist. Umfasst sind von der Auskunftspflicht alle Werke, die Urheberrechtsschutz genießen können. Dies können auch solche sein, an die man nicht im ersten Moment denkt, beispielsweise Imagefotografien oder auch schon längere Werbetexte. Nur auf ausdrückliches Verlangen des Urhebers wäre darüber hinaus von Ihnen anzugeben, ob und an wen Sie Unterlizenzen eingeräumt haben.

IV. Ausnahmen von der Auskunftspflicht

Das Gesetz nennt jedoch auch Ausnahmen in Bezug auf die Auskunftspflicht, auf die Sie sich bei Vorliegen der Voraussetzung berufen können.

Eine Ausnahme besteht etwa im Bereich der Computerprogramme, für die die Auskunftspflicht nicht gilt.

Eine weitere Ausnahme greift, wenn der Urheber nur einen lediglich nachrangigen Beitrag zu einem (Gesamt-)Werk, einem Produkt oder einer Dienstleistung erbracht hat. Das Gesetz spricht von einem nachrangigen Beitrag, wenn dieser den Gesamteindruck eines Werkes oder die Beschaffenheit eines Produkts nur wenig prägt, zB weil er nicht zum typischen Inhalt eines Werkes, eines Produktes oder einer Dienstleistung gehört. 

Ein weiterer Ausnahmetatbestand greift, wenn die Inanspruchnahme des Vertragspartners durch den Urheber unverhältnismäßig ist. Dies soll nach dem Gesetz etwa der Fall sein, wenn der Aufwand für die Auskunft außer Verhältnis zu den Einnahmen aus der Werknutzung stünde. Denkbar sind zB solche Konstellationen, in denen für die Nutzung eines Werkes ein niedriger, dreistelliger Betrag gezahlt wurde und unter Nutzung dieses Werkes über Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg wenig bis kein Umsatz von Ihnen erzielt wurde. Sodann wird man nach der hier vertretenen Einschätzung argumentieren können, dass allein der Aufwand, die Nutzungen für die vergangenen Jahre aufzuschlüsseln und darzulegen, die Erträge mit dem Werk übersteigt. Hier ist jedoch Vorsicht geboten, da die genaue Schwelle der Unverhältnismäßigkeit nicht bekannt ist und derartige Klärungen in der Regel erst in Gerichtsverfahren stattfinden.

V. Sonderfall: Arbeitnehmer?

Im Grundsatz ist bislang noch unklar, ob § 32d UrhG auch für solche Werke gilt, die ein Arbeitnehmer im Rahmen seiner Anstellung gefertigt hat. Der BGH sagt hierzu regelmäßig, dass der Arbeitnehmer für seine Leistungen regelmäßig durch die Lohnzahlung angemessen vergütet wird. Das gilt insbesondere dann, wenn er im Rahmen seiner Tätigkeit nicht viel anderes macht, als urheberrechtliche Werke zu erstellen (zB Designer). Es ist nach unserer Einschätzung aber nicht auszuschließen, dass die Gerichte eine Anwendbarkeit von § 32d UrhG auch für Arbeitnehmer annehmen werden. Hier käme es auf die Konstellation im Einzelfall an.

VI. Folgen der Missachtung

Kommen Sie der Auskunftspflicht nicht nach und können sich auch nicht auf einen Ausnahmetatbestand berufen, können Urhebervereinigungen gemäß § 36d UrhG einen Unterlassungsanspruch gegen Sie geltend machen, der sich gegen die weitere Nutzung des Werkes richtet. Im Zweifel verlieren Sie daher die Möglichkeit zur Weiternutzung dieser Werke.

Auch kann die Auskunft selbst vom Urheber oder Inhaber ausschließlicher Nutzungsrechte direkt gegen Sie geltend gemacht und schlimmstenfalls gerichtlich eingefordert werden. Schon die Aufforderung an sich kann dabei, da eine gesetzliche Pflicht nicht beachtet wurde, dazu führen, dass Anwaltskosten oder Schadenersatzansprüche gegen Sie geltend gemacht werden können.

Die erfolgreiche Durchsetzung von Auskunfts- und Unterlassungsansprüchen gegen Sie kann die Zahlung von Anwalts- und Gerichtskosten in nicht unerheblichem Maße bedeuten. Kommen Sie der Auskunftspflicht trotz Verurteilung nicht nach, drohen im Wege der Zwangsvollstreckung empfindliche Ordnungsgelder, in der Regel im vier- bis sechsstelligen Bereich. Letztlich bedeutet ein Nichterfüllen der gesetzlichen Auskunftspflichten natürlich auch immer einen Imageschaden für Ihr Unternehmen.

VI. Konkret denkbare Fälle

Es existiert in der dargestellten Konstellation eine Vielzahl möglicher Fälle, in denen Sie der Auskunftspflicht unterliegen könnten, so z.B.

  • Lizenzen bei Stock-Anbietern, die in der Regel konkrete Nutzungen lizenzieren und bei Überbeanspruchung der Nutzung nun weitere Möglichkeiten zur Geltendmachung von Ansprüchen erhalten. Prüfen Sie daher den Umfang Ihrer Lizenzen auch bei Stock-Anbietern. Die notwendige Auskunft könnte hier in einer Anpassung der gewählten Lizenzsätze im erforderlichen Fall erfolgen. Inwieweit die Anbieter selbst Kanäle bieten, um die Auskunft zu erteilen, ist im Einzelfall zu überprüfen.
  • Sonstige Bildlizenzen aller Art: Verwenden Sie Fotos weiterhin in dem lizenzierten Umfang oder haben Sie die Bilder auch für Produkte oder in anderen als den lizenzierten Fällen genutzt?
  • Musiklizenzen: Wo nutzen Sie die lizenzierten Werke? Ist durch die Lizenzmeldung ausreichend über die konkreten und ggfls. geänderten Nutzungen informiert worden?
  • Textlizenzen: Haben Sie in der Vergangenheit Texte erstellen lassen, die sie z.B. auch auf neuen Websites oder in Social Media einsetzen?

Praxis-Tipp: Die Auskunftspflicht besteht dabei nach unserem Dafürhalten leider auch dann, wenn KEINE Veränderung der Nutzungen stattgefunden hat!

VII. Was ist nun zu tun?

Für eine Prüfung, ob Sie von der Pflicht betroffen sind, wäre von Ihnen im ersten Schritt in Erfahrung zu bringen, ob Sie 

  1. in den vergangenen Jahren (= zwischen dem 01.01.2008 und dem 07.06.2022) Rechte an urheberrechtlich geschützten Werken erlangt haben,
  2. diese Rechte noch fortbestehen und
  3. diese Werke von Ihnen noch (regelmäßig) benutzt werden.

Im zweiten Schritt wäre dann zu klären,

  1. ob Sie sich ggf. auf einen Ausnahmetatbestand berufen können, der die Auskunftspflicht nach § 32d UrhG entfallen lässt
  2. und Sie der Auskunftspflicht in dem angeratenen Umfang nachkommen wollen, was bei entsprechender Notwendigkeit dringend empfohlen wird. 

Im letzten Schritt müsste dann die Auskunft erteilt werden und die notwendigen Inhalte erfassen. 

Beachten Sie auch, dass die hier dargelegte Pflicht jährlich wiederkehrt und daher Teil eines regelmäßigen Prozesses werden sollte!

Inhaltliche bzw. Rechercheleistungen – zB nach der oben genannten Ziffer 1 (Heraussuchen von Verträgen und Nutzungszeiträumen) – müssten von Ihnen selbst erbracht werden.

In Bezug auf die rechtliche Beurteilung der konkreten Angelegenheit sind wir Ihnen auf Anfrage natürlich gern behilflich. Unsere Leistungen werden sich in diesem Bereich dann auf die Prüfung konzentrieren, ob für Sie ggf. ein Ausnahmetatbestand bezüglich der Auskunftspflicht greifen kann. Hierzu wären die entsprechenden Abreden mit den Urhebern, die tatsächliche Nutzung sowie die dadurch erzielten Erträge durch uns im Detail zu prüfen. Ebenso können wir Auskunftspflichten für Sie direkt erfüllen bzw. Ihnen bei der Abfassung der entsprechenden Angaben behilflich sein.

Wir bieten Ihnen Erstberatungsgespräche zu vorgegebenen Sätzen an. Wir bitten Sie um Vereinbarung eines Termins per E-Mail an info@kanzlei-leineweber.de. Im Rahmen der Terminsvereinbarung klären wir Sie über entstehende Kosten auf. 

Disclaimer: Der Artikel dient der reinen Information und stellt keine Rechtsberatung im Einzelfall dar. Aufgrund einer bislang gerichtlich nicht geklärten Gesetzeslage kann es sein, dass sich die Anwendung und Auslegung des Gesetzes in der Praxis anders gestaltet, als in diesem Artikel dargestellt!